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Piet Petrol / Interview – Waldkönig versus Hochzeitsbeschleuniger

Piet Petrol Interview

Nach der Besprechung seines letzten Albums Winterherz bot es sich an, mit dem Pfälzer Musiker Piet Petrol aka Peter Stauter ein länderübergreifendes Gespräch zu führen. Piet lebt und arbeitet in der Schweiz und erzählt uns nun ein bisschen über sein Schaffen.

RockTimes: Piet, oder soll ich lieber Peter sagen?

Piet: Piet ist ok.

RockTimes: Okay Piet. Dank social media ist es ja egal, ob man nun in der Schweiz, auf den Aleuten oder in der Pfalz lebt. Man ’sieht' sich, wann immer man will. Dich jedenfalls hat es aus unserem gemeinsamen Heimatort in die Schweizerische Eidgenossenschaft verschlagen. War das der Musik wegen, bzw. konntest du dort deine Musik besser an den Mann und die Frau bringen?

Piet: Weder noch. Das war eher der Herr Zufall, der hier die Fäden in die Hand genommen hat. Und Frau Schicksal spielte mir die Liebe meines Lebens in die Hände. Wir sind fast zehn Jahre ein Paar … und … so lange lebe und arbeite ich auch bereits in der Schweiz. SIE war der eigentliche Grund meiner Auswanderung. Wenn sie in den USA oder woanders gelebt hätte, wäre ich auch dorthin gegangen. Musikalisch fand ich hier dennoch einen sehr guten Wirkungskreis.

Piet Petrol Interview

Piet Petrol am Rocken

RockTimes: Dein neues Album "Winterherz" ist meine erste Begegnung mit deiner Musik. Piet Petrol ist für mich erst mal der Sänger Piet Petrol. Aber du spielst auch Gitarre, oder besser Gitarren, wobei ich persönlich sehr auf dein Slide-Spiel stehe. Mit Gitarre ist dein Instrumentarium aber nicht erschöpft. Auf "Winterherz" bedienst du auch Tasteninstrumente. Und du schreibst Songs, du komponierst. Als Komponist ist es ja  so, dass es von Vorteil ist, mehrere Instrumente zu spielen. Was macht dir selbst am meisten Spaß, oder besser: Wie kam der Peter Stauter zur Musik und wo fühlt sich der Piet Petrol am wohlsten? Mikro oder Gitarre?

Piet: Ich war schon als Kind sehr musikinteressiert und begeistert. Bereits in der Schule staunten die Musiklehrer nicht schlecht über meine damals hohe Knabenstimme. Oder, als ich zu Klassenliedern die Standtrommel exakt im Takt bediente. Nachmittags, wenn ich alleine im Zimmer saß, hörte ich die alten Hits auf dem Plattenspieler meines älteren Bruders. Meine ältere Schwester hatte so ’ne alte Akustikgitarre; auf ihr versuchte ich die ersten Töne hervorzubringen … spielte immer zu der laufenden Musik – oh Mann, hörte das sich schlimm an (lacht). Erst viel später kam ich zur E-Gitarre, da war ich etwa 18 Jahre alt. Dann die ersten Proben mit damaligen Kollegen – wir lernten voneinander, ich nahm professionellen Gitarrenunterricht und gut drei Jahre später auch Gesangs- bzw. stimmbildenden Unterricht bei einer Jazzsängerin. Ich war immer bereit, etwas Neues auszuprobieren. Meine Wurzeln liegen dennoch eher in den 80ern, und auch eindeutig im Rockbereich.

Mehrere Coverbands, in denen ich spielte, waren weitere Stationen. Ich hatte aber in dieser Zeit bereits meine eigenen Songs in der Schublade liegen. Klar komponiere ich das meiste auf der Gitarre, aber als erstes sind da immer ein Drum- und ein Bassgroove, mit denen ich beginne. Das kann manchmal Tage dauern, bis ich was Passendes erstellt habe. Dann folgt die Gitarre, ein Textstück, um das sich eine Story aufbaut und wiederum an gewissen Tagen – je nachdem wie ich gelaunt bin – kann auch schon mal alles gleichzeitig passieren.

Piet Petrol Interview

Jay, Piet und Ueli

Den "Waldkönig" zum Beispiel habe ich in ungefähr einer Stunde komponiert. Mir bereiten die Momente die größte Freude, wenn ich den passenden Groove und die ersten passenden Instrumente welche mich zufriedenstellen, aufgenommen habe und ich dann sehr frei spielen kann. Das Sliden ist absolut mein Ding – da fühle ich mich frei und entspannt. Wenn das Grundgerüst eines Songs steht ist es schon mal nicht schlecht für alle nachfolgenden Schritte! Gesanglich ist es die schwerste und auch meiste Arbeit. Wenn es auch hier passt und die Texte zum Groove klingen, fühle ich mich  superwohl. Sowohl Mikro und Gitarre sind mittlerweile meine 'Lieblingswerkzeuge'.

RockTimes: Eine Stunde nur  für den "Waldkönig" – das ist stark. Die Nummer hat mich schwer begeistert, weil sie zum einen auf humorvolle, aber durchaus zum Nachdenken anregende Weise appelliert. Und zwar ohne erhobenen Zeigefinger an diejenigen, die mit und in der Natur ihr Schindluder treiben. Zum anderen zeigt sie eine, wie ich meine, Stärke von dir: Kollege Markus schrieb in seinem 2011-Review von »Sprach- bzw. Gesangs-Rhythmik«.  Ich zitiere mich mal selbst aus dem "Winterherz-"Artikel: »Irgendwo in der Mitte von Singen und Sprechen ist es so möglich, dem jeweiligen Track per Stimme eine ganz besondere Dramatik zu verleihen«.
Du hättest das Lied auch mit ’normalem Gesang' versehen können. Ist diese Gesangs-Rhythmik einfach ein Feature Deiner Stimme oder ist diese, ja, Erzählweise in der Tat ein dramaturgisches Mittel?

Piet: Ein wenig von Beidem. Es ergab sich aus der Dramaturgie des Songs selbst, sodass ich es in eher erzählerischer Weise stimmlich bestückte. Die reine Gesangsform stellt ja hauptsächlich der 'elfenmäßige' Frauen Chor im Hintergrund dar. Vermischt man beides, kommt man mit der Botschaft, die dieses Lied transportiert, entsprechend zum … Naja, wie soll ich es nennen? Hmm.ahja – ICH würde sagen, zu dem 'gewissen Etwas' (lacht).

RockTimes: Ja, dieses Lied hat wirklich das gewisse Etwas. Wie auch der von Dir hervorragend gecoverte "Eisbär". Du hast aus dem meiner Meinung nach sehr dünnen Original eine echte 'Männernummer' gemacht.  Eine solche ist auch das slideveredelte "Gib mir Kraft". Und dann "Himmel". So eine Nummer schreibt man doch sicher nicht gerade mal so. Sie geht nah und das ist wohl auch gewollt. Steckt in "Himmel" eine ganz persönliche Note? Eine Aufarbeitung?

Piet: "Himmel" ist so ein 'Kapitel' für sich. Je älter wir werden, desto mehr werden wir mit dem unliebsamen Abschiednehmen von geliebten Menschen, Freunde, Verwandte usw. konfrontiert. Letzten Endes gehen wir selbst. Für immer. Ob ich  selbst an ein zweites Leben glaube, beschert mir der Text, den ich aus meinem tiefsten Unterbewusstsein dazu schrieb. Man erhält im Refrain dazu die passende Antwort. In diesem Lied verbirgt sich eine große UND EHRLICHE Biografie. Ich befasse mich schon sehr mit diesen sensiblen Themen. Als ich diesen Song schrieb, war mir nicht bewusst, wohin mich das Ganze führen würde. Ich schrieb aus reinen Gefühlen, da war dieser Schlagzeugsound in meinem Kopf. Und diese Melodie. Und ich 'diente' einfach …

RockTimes: Ja Piet. Ich weiß, was du meinst. Mich hat diese Nummer sehr berührt. Genau aus den Gründen, die du eben genannt hast. Aber nun back zum Erfreulichen: Deine Band zeigt auf "Winterherz", dass sie was können, dass sie professionell musizieren. Ist das ein festes Line-up, oder spielst du eher immer mit verschiedenen Musiken? Auf "2011" war außer Peter Enderli ja eine andere Mannschaft zu Gange. Und wie kommst du an einen Mann wie Jay Stapley? Ich meine, diesen Musiker bringt man u. a. in Verbindung mit Marius Müller-Westernhagen, Mike Oldfield oder Roger Waters.

Piet: Bis zum Album "2011" haben sich immer mal andere Musiker eingefunden oder sich bereit erklärt, mitzuwirken. Ich war aber nie so richtig zufrieden – das heißt aber nicht, dass ich den Musikern auf den vergangenen Alben gegenüber undankbar bin oder es jemals war! Es dauert sehr lange, bis man die 'Richtigen' gefunden hat. Oh ja, und diese Band mit der ich jetzt gerade zusammenarbeite ist wirklich super Die spielen einfach alles! Ich arbeite mit ihnen auch jetzt schon ’ne' ganze Weile zusammen. Das gab es zuvor so noch nicht. Da war eher so ein Kommen und Gehen angesagt. Aber mittlerweile habe ich mir mein festes Team aufgebaut und zusammengestellt. Wir verstehen uns wirklich gut, die Chemie stimmt einfach und es ist jedes Mal spannend, wenn ich was Neues mitbringe und sie es dann umsetzen; auch live – ohne Angst zu haben. Darüber hinaus sind es auch Musiker, die ihre Instrumente schon ziemlich lange spielen. Ich freue mich jedes Mal, wirklich sehr, wenn wir uns treffen! Klar, vor Veränderungen ist niemand gefeit, aber wer weiß, wie sich die Karten für die Zukunft noch mischen (lacht).

Piet Petrol Interview

Jay und Piet

Tja, und mit dem lieben Jay Stapley ergab es sich so: Ihn kannte ich schon seit Myspace-Zeiten – wir unterhielten uns in einem Chatroom. Ich hatte mir gerade ein neues Studiomikrofon gekauft. Jay hatte genau das gleiche, wir fachsimpelten ein bisschen und dann meinte er: »Piet, Wenn du mal ein bisschen guitar möchtest, zu irgendeinem Song, sag mir Bescheid«. Und aus einem Song wurden mehrere. Es stellte sich im Nachhinein heraus, dass das Stück "Keine Zeit" von Westernhagen ein gemeinsames Lieblingsstück von Jay und mir ist. So entschloss ich mich, auch auf Anraten meines Videoproducers Lennart Cole, diesen Song zu covern, und Jay Stapley stiftete uns zum Video auch noch ein paar Szenen. Das war einfach Klasse. Ein gemeinsamer Auftritt hier in der Schweiz krönte das Ganze noch etwas und wir sind mittlerweile wirklich gute Kollegen und Freunde geworden. Weitere Projekte im Studio von Jay haben wir bereits gemeinsam besprochen und geplant. Das Mastering übernimmt ein Toningenieur der legendären Pink Floyd
ich freue mich schon sehr  auf die Reise in Jays Driftwoodstudio in England.

RockTimes: Jesses Piet, ich stelle mir gerade vor, du hättest mit Keith gechattet … Spaß beiseite, Du erwähnst einen gemeinsamen Auftritt mit Jay und auch, dass Deine Band bereit für Liveshows ist. Videos im Netz beweisen ja, dass Du sehr gerne auf der Bühne stehst und dann will sicher jeder Musiker seine Fans auch ganz nah bei sich wissen. Nun weiß ich aber, dass Touren Deiner Gesundheit wegen zur Zeit kein Thema ist. Darf man hoffen, dass sich da bald etwas ändert und Du das Studio mit Hotelzimmern tauscht?

Piet: Oh ja, die Nähe zu Fans und Publikum sind mir enorm wichtig. Es ist leider so, dass ich im Augenblick gesundheitlich etwas angeschlagen bin. Das heißt, Touren, längeres Verreisen, Fliegen … bekommt mir nicht. Ich stehe in ärztlicher Behandlung und muss Medizin einnehmen. Bis sich das Ganze stabilisiert hat! Ab und an mal ’ne Show spielen dürfte aber weiterhin kein Problem sein.  Anfragen  sind schon immer wieder mal da. Ich will eben im Moment nichts Großes planen, weil mein Herz-Kreislauf instabil ist (bin mit einem Herzfehler geboren) und vor gut 22 Jahren wurde ich in  einer Herzklinik in Bad Nauheim per Laser behandelt. Mir wurde gesagt, dass ich mit zunehmendem Lebensalter mit Bluthochdruck Probleme bekommen werde. Zurzeit bin ich auf Diät und treibe auch wieder etwas mehr Sport. Alkohol trinke ich schon seit über einem Jahr gar keinen mehr, Rauchen ist nicht, und Kaffee gibt’s nur koffeinfrei. Es geht mir durch die Körpergewichtsabnahme  aber schon etwas besser. Und klar kann ich mir vorstellen, wenn alles eingestellt ist, etwas mehr aufzutreten. Da bin ich sogar sehr  zuversichtlich!

Piet Petrol Interview

Piet Petrol & Band

RockTimes: Das klingt in der Tat zuversichtlich, auch wenn es sich nun nicht gerade nach Rock’n’Roll anhört: Kein Alk, kein Tabak, kein Kaffee …  Aber Gesundheit und Spaß an der Arbeit sind abseits des Rockstar-Klischees natürlich wichtiger. Wichtig ist aber auch, zumindest monetär, dass sich das alles auch lohnt und ankommt. Dass "Winterherz" den Fans gefällt, lese ich permanent im Netz bei den social medias. Dort konnte ich aber auch Deinen Frust erkennen, weil ein Radiosender die Platte zwar als gut befand, aber meinte, dass die nicht ins Programm passe. Ich will mich jetzt nicht über die Radiolandschaft auslassen. Aber nur so viel: Es ist ja fast schon eine Adelung, im Mainstream-Radio nicht gespielt zu werden.  Dort wo die Sänger aussehen wie rasierte Hamster und die ’singenden'  Sirenen sicherlich viele Qualitäten haben, die aber selten stimmlicher Natur sind. Frustet das nicht einen ehrlichen Rock-Handwerker und  geht die Reise dann eher in Richtung Internetradio, oder willst du nicht klagen?

Piet: (Er lacht)  Aah, ja, dieser EINE Sender. Am Tag darauf ging woanders eine schönere, interessantere Tür auf. Ist wirklich so passiert! Ich muss ganz ehrlich dazu sagen, dass es mir mittlerweile schon völlig egal ist, wenn gewisse Sender meine Musik nicht spielen – da sich just in dem Moment, wo wir beide uns hier unterhalten, sich schon einige Sender eingefunden haben, denen meine Musik nicht nur sehr gut gefällt, sondern sie auch  permanent spielen, Das sind schon eher Internetsender, worüber ich schon sehr froh bin. Nun,  Neo1 in der Schweiz zum Beispiel ist ein öffentlich rechtlicher Sender und die waren gleich begeistert und haben einen Musiktipp daraus gemacht. Und – da waren es schon etliche tausend Hörer. Ich denke, es findet zusammen, was zusammen gehört …
Ich bin wirklich sehr dankbar und froh, über all jene DJs und Moderatoren, die sich noch ernsthaft mit Musikschaffenden auseinandersetzen und Musik eine gewisse Chance geben. Zumindest mal gehört zu werden und sich nicht gleich ins Höschen machen, wenn ein schönes Gitarrensolo kommt,

RockTimes: Das ist schön und vielleicht ist es in der Schweiz ja anders. Die Öffentlich-Rechtlichen hierzulande … lassen wir das, meine Herztropfen sind gerade alle …
Piet, was mich bei Musikern immer tierisch interessiert: Was hörst du für Musiker/Musiker, wenn du dir nicht selbst zuhörst, oder gerade NDW im Player liegt?

Piet: Das ist sehr unterschiedlich. Meistens sind es auch so eher unbekanntere 'Perlen' und ebenfalls ungeschliffene Diamanten. Das kann auch schon mal was anderes als Rock und Punk sein. Ich interessiere mich auch für klassische Musik. Sobald ich eine Gänsehaut bekomme, oder mich der Song berührt, ist es passiert. Klar, höre ich immer noch gerne meine gewissen Spezies, welche mich von Jugend an irgendwie begleitet haben. Zum Beispiel Joachim Witt, M. M. Westernhagen (aber nicht alles!). Härtere Gangart wären Rammstein und Megaherz. Aber auch super gute Remakes von alten Hits können mich schon sehr flashen. Außer mit gewissen Schlagern …und solche 'Hochzeitsbeschleuniger’…   damit kannst du mich jagen! Doch ehrlich gesagt, ist das eher selten der Fall, dass ich mich mit anderen Musikern befasse, da mein Archiv an Ideen und Musikparts voll genug ist, um jederzeit etwas kreieren und komponieren zu können.

RockTimes: »Musikalische Hochzeitsbeschleuniger« – ich habe jetzt eben fast in die Tischplatte gebissen, so musste ich lachen.
Piet, "Winterherz" wurde ja zwischen den letzten beiden Wintern geboren. Dein Archiv ist voll, sagst du. Bedeutet das, dass wir auf einen Nachfolger von "Winterherz" keine zwei weitere Winter warten müssen?

Piet: Ich verspreche lieber nichts im Voraus. Doch denke ich, dass es jetzt eher, rascher vorangeht mit den Werkreihen – doch, muss ich sagen.
Ich möchte auch das nächste Album richtig reifen lassen. So wie einen guten Käse oder einen guten Wein.

RockTimes: Oh, jetzt hast du ein anderes, interessantes Thema angesprochen: Essen & Trinken. Das machen wir besser ein anderes Mal …
Ich wünsche Dir, dass es gesundheitlich voran geht und Deine Fans dich bald wieder auf den Bühnen sehen können. Du hast nun das letzte Wort, und ich bedanke mich schon mal für das nette Gespräch mit Dir.

Piet: Sehr gerne geschehen lieber Ulli. Ich habe zu danken! Und freue mich auf Euch!
Bis bald!

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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Mail: ulli(at)rocktimes.de

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