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Bob Dylan / The Times They Are A-Changin' – LP-Review

LP-Review-Bob Dylan-The Times They Are A-Changin'

Als Bob Dylan Anfang August 1963 ins Studio ging, um sein drittes Album aufzunehmen, war er in der folkloristischen Gegenbewegung bereits ein großer und bedeutender Name. Die nahezu gottesähnliche Verehrung der kommenden Jahre lag zwar noch in der Zukunft, aber die Weichen waren bereits gestellt, wofür nach seinem gleichnamigen Debüt vor allem "The Freewheelin' Bob Dylan" (1963) gesorgt hatte. Eine erste Session am 6. August des eigentlich sehr schnell arbeitenden Musikers brachte außer der Nummer "North Country Blues" und dem Outtake "Seven Curses" allerdings nicht viel zustande. Direkt am nächsten Tag wurde eine deutliche Schippe drauf gelegt und vier weitere 'fertige' Tracks eingetütet.

Nachdem eine dritte Session unproduktiv verlief und Dylan Live-Verpflichtungen hatte, passierte für zwei weitere Monate erstmal gar nichts. Erst Ende Oktober ging der Amerikaner nochmal zwei Tage ins Studio, um die restlichen Stücke (plus einn paar Outtakes) aufzunehmen.

Zum Album: Der Titelsong alleine steht bereits für den großen Aufbruch, der – vor allem in Nordamerika, aber definitiv auch in Europa – stattfand. Der große Aufbruch gegen Krieg, gegen die damals so veraltet erscheinenden) Moralvorstellungen und der Suche nach dem individuellen Weg, sein Leben zu gestalten. Ein Umbruch lag in der Luft, der seinen Höhepunkt in dem nach wie vor so populären Woodstock-Festival fand und in den Siebzigern dann (zumindest flächendeckend, wenn auch nicht für jeden) einen schnellen Tod starb.

Neben Tracks über gesellschaftliche Umwälzungen bestimmen vor allem Songs über Armut und Rassismus das Bild der Platte. Am bewegendsten vielleicht "The Lonesome Death Of Hattie Carroll", einer wahren Geschichte über eine schwarze Hotel-Angestellte aus dem Februar 1963, die von einem wohlgestellten Weißen aus purer Wut und Willkür erschlagen wurde. Der Mann bekam damals vor Gericht eine mehr als lächerliche Strafe verpasst, die zehn (zugegebenermaßen teilweise bereits erwachsenen) Kinder des Opfers mussten sehen, wie sie alleine klar kamen.

"One Too Many Mornings" geht in der Live-Version des Albums "Hard Rain" (1976) von der damaligen 'Rolling Thunder Revue' (die auch schon wieder ein Kapitel bzw. Einzelreview wert wäre) zwar deutlich mehr an mich, aber auch die hier enthaltene spärliche Akustikversion hat ihre Vorzüge. "Only A Pawn In Their Game" ('Nur eine Schachfigur in ihrem Spiel') ist eine offene Anklage an die Wirtschaftsbosse und Politiker der damaligen Zeit, die auch heute nichts von ihrer Aktualität verloren hat.

Und spricht nicht bereits das Coverfoto mehr als nur Bände? Mal Hand aufs Herz, wer würde geglaubt haben es hier mit einem gerade mal 22-jährigen Jüngling zu tun zu haben, der in der finanziell abgesicherten Mittelschicht aufgewachsen war. Als ich das Cover zum ersten Mal sah, dachte ich umgehend an einen Mann auf Drogen, einen Mann im Knast oder von der Straße, der mindestens zwanzig Jahres älter ist, als der gute Bob es damals tatsächlich war.

"The Times They Are A-Changin'" gilt heute weit verbreitet aufgrund der darauf enthaltenen Songs als Klassiker, hat und hatte aber auch schon immer Kritiker, da hier konseqent nur die Akustikgitarre, die Harmonika und der Gesang Dylans zu hören sind. Sprich, es wird ihm hier mangelnde Variabilität vorgeworfen, eine fehlende musikalische Entwicklung und eine gewisse Stagnation bei "Blowin' In The Wind". Was hier aber alleine schon durch die lyrische Entwicklung und unsterbliche Tracks wie den Titelsong, "Ballad Of Hollis Brown", "Only A Pawn In Their Game", "One Too Many Mornings" und vor allem "The Lonesome Death Of Hattie Carroll" enthalten ist, untermauert den bereits früh gelegten Legendenstatus des Musikers.

Von daher gar keine Frage: "The Times They Are A-Changin'" IST ein Klassiker im Frühwerk Bob Dylans.


Line-up Bob Dylan:

Bob Dylan (acoustic guitars, harmonicas, vocals)

Tracklist "The Times They Are A-Changin'":

Side 1:

  1. The Times They Are A-Changin'
  2. Ballad Of Hollis Brown
  3. With God On Our Side
  4. One Too Many Mornings
  5. North Country Blues

Side 2:

  1. Only A Pawn In Their Game
  2. Boots Of Spanish Leather
  3. When The Ship Comes In
  4. The Lonesome Death Of Hattie Carroll
  5. Restless Farewell

Gesamtspielzeit: 22:53 (Side 1), 23:04 (Side 2), Erscheinungsjahr: 2016 (1964)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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