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Glenn Hughes "Classic Deep Purple" – Konzertbericht, 21.10.2018, Gewandhaus zu Leipzig

© Mario Keim

Er ist musikbesessen, ein Fleißarbeiter und gilt mehr denn je als Frohnatur, wie seine jüngsten Live-Auftritte belegen. Seine Musik ist inzwischen auf über 100 Alben verewigt, darunter sind 23 Soloalben. Auf seiner Website hat der Perfektionist Glenn Hughes seit 1969 Monat für Monat alle Live-Konzerte festgehalten, bei denen er mit seinen jeweiligen Bandkollegen aktiv war, viele Setlisten inklusive. In dieser Art eine Seltenheit in der Szene und als Lektüre allemal zu empfehlen.

Die Mitgliedschaft des heute 66-Jährigen bei Deep Purple währte nur vier Jahre, doch im Backkatalog der Besetzungen Mark III und Mark IV stehen vor allem mit dem Album "Burn" nicht unbedeutende Werke. Insgesamt wirkte der gebürtige Brite an drei Deep Purple-Alben mit, neben "Burn" sind es Stormbringer (ebenfalls 1974) und Come Taste The Band (1975).  Bei "Burn" gibt es Parallelen zu Machine Head (u. a. "Smoke On The Water" und "Highway Star"). Beide Scheiben sind im schweizerischen Montreux am Ufer des Genfer Sees aufgenommen worden.

© Mario Keim

Glenn Hughes in Leipzig

Musikalische Differenzen und Drogenprobleme führten schließlich 1976 zur Auflösung der Band, deren Wiedervereinigung unter der Besetzung Mark II mit Ian Gillan, Ritchie Blackmore, Jon Lord, Roger Glover und Ian Paice 1984 folgte. Zu diesem Zeitpunkt schaute sich Hughes bereits nach neuen Engagements um. 1985/86 folgte ein kurzes Gastspiel bei Black Sabbath.

Während die aktuelle Deep Purple-Besetzung (Mark VIII) bei Gastspielen in Übersee unter Beweis stellt, dass ein Abschied von der Bühne offenbar doch nicht so leicht fällt, kann bei Glenn Hughes von Karriereende noch keine Rede sein. "Classic Deep Purple" heißt sein aktuelles Projekt, mit dem er noch bis August 2019 auf Tour ist.

Dazu zählen im Oktober 2018 sieben Gastspiele in Deutschland, darunter der Auftritt im ehrwürdigen Gewandhaus zu Leipzig. Das 1981 als einziger Konzertneubau in der DDR errichtete Neue Gewandhaus war noch gar nicht eröffnet, als die Stücke ihre Premiere hatten, mit denen Glenn Hughes derzeit auf Tour zu erleben ist. Zu hören sind ausschließlich Titel, die er entweder selbst mit Deep Purple eingespielt hat oder aber wenigstens live interpretierte (Album "Machine Head").

© Mario Keim

Glenn Hughes "Classic Deep Purple" im Gewandhaus Leipzig

Auf ein "Child In Time" vom Album "Deep Purple In Rock" (1970) warten die Fans vergeblich, auch wenn es mit Hughes und dessen genialer Kopfstimme keinen besseren Kandidaten gäbe, um diesen Klassiker zu singen, der seit 25 Jahren nicht mehr zum Bühnenprogramm von Deep Purple gehört. Schlicht und ergreifend hat Glenn Hughes "Child In Time" noch nie als Deep Purple-Bandmitglied interpretiert.

Allein "You Keep On Moving" zeigt an einem Beispiel, dass der 66–Jährige dazu in der Lage wäre, genau dieses Lied vorzutragen. Der ehemalige Deep Purple-Bassist und Co-Sänger bewegt sich wie ein 20-Jähriger auf der Bühne, hat die Stimme eines 40-Jährigen, aber gleichzeitig die Musikererfahrung aus 50 Jahren. Die zum Teil stark vom Blues geprägten Stücke, darunter fünf aus dem Album "Burn", sind zeitlich gesehen nur eine Momentaufnahme aus 50 Jahren Bandgeschichte. Die Kompositionen aus den 1970ern zeigen aber eindrucksvoll, wie zeitlos und modern diese Musik ist. Daran haben auch die drei Bandkollegen Søren Andersen (Gitarre), Jesper Bo Hansen (Keyboard) und Fernando Escobedo (Schlagzeug) ihren lebhaften Anteil.

Dabei fällt auf, dass das Equipment des Keyboarders vergleichsweise bescheiden ausfällt, nimmt man die Instrumente eines Jon Lord zum Maßstab. Doch der dänische Musiker spielt seine Hammond-Orgel mit großer Hingabe. Ein Solo spendiert der Frontmann allen drei Begleitmusikern. Derweil zupft Glenn Hughes seinen Bass mit solcher Leichtigkeit, dass einem das Herz aufgeht.
Sieht man einmal von den Klassikern "Smoke On The Water" sowie den Zugaben "Burn" und "Highway Star" ab, so sind "Sail Away" und "Mistreated", beide vom Album "Burn", besondere Höhepunkte des Abends und emotionale Glanzlichter. Alle Stücke werden geradezu zelebriert, sie übersteigen in der Dauer die Originallänge. Am Ende sind es zehn Lieder in zwei Stunden Konzertdauer.

© Mario Keim

Glenn Hughes in Aktion

Die Fans in Leipzig hält es spätestens bei "Smoke On The Water" nicht mehr auf den Sitzplätzen, doch die Stimmung im nur halb besetzten Saal (bei einer Kapazität von 1900 Plätzen) ist von Anfang an ausgesprochen gut.

Immer wieder verweist der Musiker, der seit 43 Jahren in Los Angeles lebt, auf seine Verbundenheit mit Deutschland. »Es lebt in meinem Herzen und in meiner Seele«, bekennt Hughes, der seit November 2000 mit der geborenen Deutschen Gabrielle Dotson verheiratet ist.

Glenn Hughes alias 'Voice Of Rock', seit 2016 zusammen mit den Musikern der ersten beiden Deep Purple-Besetzungen Mark I und Mark II Mitglied in der Rock and Roll Hall of Fame verewigt, wird gefeiert wie ein Landsmann. Gegen Ende des Konzertes genießt er am Bühnenrand das Bad in der Menge und beim furiosen "Highway Star" kann er sich zum finalen Höhepunkt vollständig auf das Singen konzentrieren, während ein Bühnentechniker den Bass bearbeitet. Gewiss, Glenn Hughes spielt diesen, als habe er dieses Instrument mit erfunden. Er zaubert darauf und ist für einen Abend außerdem 'The Voice Of Deep Purple'. Und diesen Part meistert er souverän. Es ist ein außergewöhnlicher Konzertabend, den die Besucher garantiert nicht so schnell vergessen werden. Das liegt nicht zuletzt an der bodenständigen, ehrlichen Darbietung, die in dieser Musik steckt.


Line-up Glenn Hughes & Band:

© Mario Keim

Setlist

Glenn Hughes (vocals, bass)
Søren Andersen (guitar),
Jesper Bo Hansen (keyboard)
Fernando Escobedo (drums)

Setlist:

  1. Stormbringer
  2. Might Just Take Your Life
  3. Sail Away
  4. Gettin' Tighter
  5. You Keep On Moving
  6. You Fool No One
  7. Mistreated
  8. Smoke On The Water

Zugabe:

  1. Burn
  2. Highway Star

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

2 Kommentare

  1. Mario Keim

    Danke Dir, lieber Stefan, für das Feedback. Ich habe in meinen Zeilen bewusst auf den Vergleich zwischen dem amtierenden DP-Sänger und dem Kurzzeit-Bassisten/Co-Sänger Glenn Hughes verzichtet. Ich glaube, jeder Zuhörer hat sich diesbezüglich so seine Gedanken gemacht… Sehr treffend Deine Einschätzung: „Das besondere musikalische Flair der Mark III + IV-Phase ins Hier und Jetzt transferiert.“ So habe ich das auch empfunden! Insofern ein besonderes, seltenes Live-Erlebnis. Es leb(t)e der Augenblick.
    Liebe Grüße Mario

  2. Stefan

    Sehr gelungener Bericht. Hab Glenn Hughes am Samstag in Winterbach in der sehr gut gefüllten Salierhalle gesehen. Auch mich hat er total begeistert. Spielfreude total, mit viel Seele dargeboten. Hughes hat es mit seiner Band geschafft, das besondere musikalische Flair der Mark III + IV-Phase ins Hier und Jetzt zu transferieren.

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