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Cornerstone / Reflections – CD-Review

Cornerstone / Reflections

Die Wachelhofer’sche Konstante hat nichts mit Astrophysik, Chemie oder Mathematik zu tun. Wir reden hier ja schließlich nicht über so etwas Kompliziertes wie die Molare Gaskonstante oder etwas das Planck’sche Wirkungsquantum und wollen keine Ergebnisse wie 8,3144598 oder 6,626070040 x 10-34. Nein – die Ergebnisse hier lauten 37 Minuten und 22 Sekunden "Reflections" und Melodic Rock; denn die Wachelhofer’sche Konstante ist das, was die österreichische Band Cornerstone im Innersten zusammenhält. Die Gebrüder Michael und Steve Wachelhofer haben Cornerstone gegründet und sind seither das, was stets geblieben ist – und mit ihnen auch der Musikstil, und das ist ein AOR, wie er im Musiklexikon beschrieben sein könnte als 'könnte genau so seit Anfang der 80er und bis heute in US-amerikanischen Radionstationen und Stadien gespielt werden'.

Konstant im Wachelhofer’schen Sinne ist auch die Veränderung. Auf Studioalbum Nummer drei gibt es mit Christoph Karas zum dritten Mal einen anderen Drummer und mit Alina Peter zum dritten Mal eine neue Sängerin – insgesamt hat man in der Bandgeschichte auf diesen Positionen sogar noch mehr auf dem Kärbholz. Klar liegt das Ohrenmerk vor allem darauf, wie 'die Neue' klingt (nix gegen Schlagzeuger, aber …). Und diese Alina Peter macht einen absolut soliden Eindruck. Ihre klare Stimme klingt sympathisch unspektakulär. Wenn das jetzt negativ klingt – so ist es gar nicht gemeint. Denn auch die Musik ist angenehm unaufdringlich – durchhörbar im positiven Sinn, erfrischend zeitlos und zeitlos erfrischend.

Die Songs auf "Reflections" bewegen sich irgendwo zwischen mitreißend rockenden und seelenstreichelnd melodiösen US-Vorbildern – irgendwo zwischen Survivor und Chicago. Gleich der Opener "Nothing To Lose" überzeugt mit seiner antreibenden Strophe, einer wunderschön verzögernden Strophe mit diesem gewissen Augen-zu-und-träumen-Effekt und einem kugelrund rockenden Refrain. Auch "Heart On Fire" (klingt anfang stark nach Bon Jovis "Runaway"; das ist aber schnell verziehen), "Northern Light" (hat was von Kansas zu Elefante-Zeiten) und das außerordentlich viel positive Energie verströmende "Believe In Me" machen Dampf in uramerikanischer Melodic Rock-Manier und sind quasi Blaupausen dafür, wie man die musikalische Kinetik von Gitarren und Keyboards miteinander verzahnt.

Noch eine Konstante beim Songwriting à la Wachelhofer: Auf jedem Album gibt es ein paar Spezialitäten. Hatten wir auf dem Debütalbum Head Over Heels mit "Something In The Way" ein wenig spanisches Feeling und bei "Oblivious" auf Somewhere In America ein paar Brocken Reggae-Rock, so fallen dieses Mal "True Confession" mit seinem Funk-Faktor und "Last Night" mit dem Saxofon im Intro und im Solo auf. "Last Night" bekommt dadurch einen Touch von 80er-/90er-Jahren-TV-Serien-Intro … und das ist gar nicht abwertend gemeint, sondern soll das Schmunzeln im Gesicht des Ersthörers erklären, dem es womöglich ähnlich ergeht wie mir.

Die Ballade heißt auf diesem Album "Whatever" und ist nicht schlechter oder besser als "Right Or Wrong" auf dem Vorgängeralbum. Das ist hübscher Schmachtstoff; mit Mariah Carey oder Whitney Houston wäre das vor zwanzig Jahren ein Hit gewesen – hier kann Alina Peter zeigen, dass sie in hohen Lagen über einen angenehmen Ausdruck verfügt. Noch mehr Pluspunkte sammelt sie bei mir aber damit, dass sie auf dem kompletten Album und längst nicht nur in ruhigen Momenten, sondern auch bei rockigen Nummern, durchweg für einen sehnsuchtsvollen Vibe sorgt. Hier und da wird schon in den Strophen mal der Gesang gedoppelt und es ergeben sich viele – ich wiederhole mich – 'unspektakuläre', aber einfach schöne Momente.

Zwar kommt "Reflections" nicht ganz ohne Durchhänger aus – mit "Brother" und "Sooner Or Later" wird der Sauerstoff gegen Ende hin etwas knapp – mit dem akustischen "Once" findet die Platte aber einen angenehmen Ausklang und kann unterm Strich ordentlich punkten und Genre-Freunde zeitlos gut unterhalten. Cornerstone gehen starken Schrittes voran, ohne auch nur einen Millimeter von ihrem Weg abzukommen. Nun wäre doch mal ein Live-Album an der Zeit, oder? Mit der aktuellen Besetzung und vorneweg Alina Peters Stimme eine Art Best of abliefern – das käme mir als nächsten Schritt logisch vor. Die besten Stücke aller Alben zusammen (da sind 1-A-Stücke wie "Leave" dabei) böten mittlerweile eine richtig starke Setlist.

 


Line-up Cornerstone:

Alina Peter (vocals)
Michael Wachelhofer (bass, keyboards, vocals)
Steve Wachelhofer (guitars, vocals)
Christoph Karas (drums, percussion)

Guest musician:
Wolfgang Voelkl (saxophone – #2)

Tracklist "Reflections":

  1. Nothing To Lose (4:13)
  2. Last Night (3:56)
  3. Heart On Fire (4:10)
  4. Whatever (3:05)
  5. True Confessions (3:50)
  6. Northern Light (3:42)
  7. Brother (3:02)
  8. Sooner Or Later (3:58)
  9. Believe In Me (3:52)
  10. Once (3:33)

Gesamtspielzeit: 37:22, Erscheinungsjahr: 2016

Über den Autor

Boris Theobald

Prog Metal, Melodic Rock, Klingonische Oper
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv

Mail: boris(at)rocktimes.de

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